+3 Magazin Juli 2022 | Page 10

10
+ 2
WIR FRAGEN :

WIE LEBT MAN MIT KREBS ?

Kohl , Knoblauch , Kresse und Kurkuma werden krebshemmende Kräfte nachgesagt .
Quelle : krebshilfe . at © iStock ./ pixdeluxe
Gut beraten
Oliver Bayer , Epidemiologe
Obwohl eine Krebsdiagnose in vielen Fällen ein regelrechtes „ Kopfkino “ auslöst , zeigt unsere Forschung , dass Männer deutlich seltener als Frauen zu Krebsberatungsstellen gehen , um dort Antworten auf ihre Fragen zu bekommen . Der Anteil der Männer liegt nur bei etwa 30 Prozent . Die Gründe dafür sind vielfältig . Viele an Krebs erkrankte Menschen und deren Angehörige wissen gar nichts von der Existenz dieser Beratungsstellen – obwohl es deutschlandweit rund 200 davon gibt . Ein weiteres Problem ist , dass gerade Männer oft ein falsches oder verzerrtes Bild vom Angebot der Beratungsstellen
haben . Diese sind nicht zu verwechseln mit Selbsthilfegruppen oder Psychotherapie . Nicht nur Betroffene , sondern auch Angehörige bekommen dort vor allem fundierte Informationen , wobei auch sozialrechtliche Aspekte thematisiert werden . Wer will , kann darüber hinaus psychologische Hilfe in Anspruch nehmen und darüber sprechen , was als belastend empfunden wird – das muss jedoch nicht der Fokus sein . Stattdessen kann jeder Interessierte seine Themen selbst setzen , denn es geht primär um Hilfe zur Selbsthilfe . Die Beratung steht grundsätzlich jedem zur Verfügung – und zwar kostenfrei und ohne Überweisung vom Arzt . Ein weiterer Vorteil ist , dass Termine oft kurzfristig vergeben werden können . Insgesamt ist das Angebot dermaßen niedrigschwellig und dabei hochwertig , dass ich mir wünsche , noch mehr Frauen und besonders auch wir Männer würden davon Gebrauch machen .
Marc Naumann , Berufssegler
Intensives Erleben
Die Diagnose Krebs zieht Betroffenen den Boden unter den Füßen weg . Gerade auf junge Erwachsene wirkt der eigene Körper plötzlich wie eine fremde Hülle , die den Tatendrang fürs neue Leben bremst . Meine Krebserkrankung mit 28 Jahren gab mir die Möglichkeit , meine Pläne und mein Leben nochmal zu überdenken . Ich wollte segeln , die Welt entdecken , anderen Betroffenen helfen und vor allem unabhängig und frei sein . Bei meinen Törns sind junge Erwachsene zwischen 18 und 40 Jahren dabei , die aktuell oder in den letzten Jahren eine Krebserkrankung hatten . Sie alle merken
, dass es nicht rund läuft , physisch oder psychisch . An Bord spielen alle in einem Team , um das Schiff sicher zum nächsten Zielort zu bringen und auch bei Planänderungen den spontanen Frust in Neugierde auf neue Erfahrungen zu ändern . Bei schlechtem Wetter können wir nicht segeln und müssen uns anpassen , so wie im Leben , wenn uns eine Erkrankung oder andere Dinge den Weg versperren . Segeln schult Resilienz und Gelassenheit , denn das Meer ist nicht fair , aber es gibt allen eine Chance . Die meisten Teilnehmer kommen mit viel neuem Selbstvertrauen und Gelassenheit zurück in den Alltag , um die eigenen Probleme anzugehen und Veränderungen anzuschieben . Ich bin unendlich dankbar , wieder gesund zu sein , aber auch dankbar , diese schwierige Erfahrung der Erkrankung gemacht zu haben . Rückblickend wollte ich heute nicht mehr der Mensch sein , der ich vor meiner Erkrankung sein wollte .